- Sep 5, 2025
🇩🇪 Was Angst mit dir macht und wie du sie überwindest
- Andreas Wagner
Du kennst das Gefühl: Ein mulmiges Ziehen im Bauch, dein Herz schlägt schneller, die Hände werden kalt. Vielleicht stehst du vor einer Gruppe Menschen und sollst sprechen. Oder du bist nachts allein unterwegs und hörst plötzlich Schritte hinter dir. Angst ist ein Gefühl, das wir alle kennen und oft lieber los wären. Doch Angst ist nicht unser Feind. Sie ist ein Signal. Ein Schutzmechanismus. Und wenn du lernst, mit ihr umzugehen, kann sie zur Quelle deiner Stärke werden.
In diesem Artikel zeige ich dir, was Angst mit deinem Körper und deinem Geist macht und wie du lernst, sie nicht nur zu kontrollieren, sondern sogar zu nutzen.
Was ist Angst überhaupt?
Angst ist eine der ältesten und fundamentalsten Emotionen, die sowohl bei Menschen als auch bei Tieren eine überlebenswichtige Funktion erfüllt. Sie dient als internes Alarmsystem, ein biologisch tief verankertes Warnsignal, das uns auf potenzielle Bedrohungen hinweist und unser Verhalten steuert. Dabei unterscheidet die Forschung klassisch zwischen Angst als einem diffusen, gegenstandslosen Gefühl und Furcht, die sich auf eine konkrete äußere Bedrohung bezieht. Während Angst eher „von innen“ kommt, also aus der Vorstellung, Erwartung oder inneren Anspannung, reagiert Furcht auf reale, wahrnehmbare Gefahren „von außen“.
Diese Unterscheidung ist jedoch nicht immer trennscharf. Im Alltag und auch in der Psychologie gehen beide Phänomene oft ineinander über. Fest steht: Angst ist kein zufälliger Zustand, sondern das Ergebnis komplexer biologischer, neurologischer und psychologischer Prozesse. Sie äußert sich nicht nur emotional, sondern auch körperlich, durch Symptome wie Herzrasen, Schweißausbrüche, Atemnot oder Schwindel. Diese Reaktionen werden vom sympathischen Nervensystem gesteuert, das in Sekundenbruchteilen dafür sorgt, dass der Körper auf „Kampf oder Flucht“ vorbereitet ist, ein Überlebensreflex, der in der Evolution bewährt ist.
Psychologisch gesehen hemmt Angst oft Erkundung, Spiel und kreative Spontaneität. Sie kann lähmen, aber auch antreiben. Je nach Kontext führt Angst zu Vermeidungsverhalten oder zur Aktivierung von Abwehrmechanismen. Manche Menschen erleben sie als lähmend, andere suchen sie gezielt, etwa im Extremsport oder im Horrorfilm. Dieses „kontrollierte Spiel mit der Angst“ ist ein bekanntes Phänomen der modernen Gesellschaft und Teil unseres „Sensation Seeking“-Verhaltens.
Auch in der Lerntheorie spielt Angst eine zentrale Rolle: Sie kann konditioniert werden, etwa wenn ein eigentlich harmloser Reiz (z. B. ein Geräusch) mit einem schmerzhaften Ereignis (z. B. Stromstoß) verknüpft wird. Solche Lernerfahrungen prägen unser Verhalten oft unbewusst und sind der Grund, warum sich manche Ängste so hartnäckig halten.
Aus neurobiologischer Sicht ist vor allem ein Areal im Gehirn für die Entstehung von Angst entscheidend: die Amygdala. Sie bewertet Reize emotional und entscheidet, ob eine Gefahr vorliegt. Wird sie aktiviert, stößt sie eine Kaskade an physiologischen Reaktionen aus, inklusive der Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol. Dabei speichert sie auch „Furchtgedächtnisse“, die selbst Jahre später noch aktiviert werden können, ohne dass wir uns an den ursprünglichen Auslöser erinnern (Vgl. R. Vaas, 2025).
Kurzum: Angst ist mehr als ein Gefühl. Sie ist ein hochkomplexes Zusammenspiel von Körper, Geist und Umwelt, tief verwurzelt in unserer Biologie, geprägt durch Erfahrungen und formbar durch Training. Und genau hier setzt Karuna Combat an: mit einem System, das nicht nur Techniken vermittelt, sondern dich lehrt, die Kontrolle über deine Reaktionen zurückzugewinnen.
Was Angst mit deinem Körper macht
Angst ist nicht nur ein Gefühl, sie wirkt tief in den Körper hinein. Sobald das Gehirn eine Bedrohung wahrnimmt, aktiviert es über die Amygdala das autonome Nervensystem, genauer: den Sympathikus. Dieser Teil des vegetativen Nervensystems versetzt den Körper in einen Alarmzustand, bekannt als „Fight-or-Flight“-Reaktion, eine evolutionär entstandene Überlebensstrategie (Vgl. Gray, 1982).
Innerhalb weniger Sekunden steigt die Konzentration von Stresshormonen wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisoldrastisch an. Diese Hormone bereiten den Körper auf eine schnelle Reaktion vor: Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, die Atemfrequenz erhöht sich, Muskeln spannen sich an. Die Pupillen weiten sich, um mehr Licht aufzunehmen, und die Verdauung wird gehemmt, um Energie zu sparen (Vgl. Birbaumer, 1977; LeDoux, 1996).
Die typischen körperlichen Symptome der Angst, Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, flacher Atem, Übelkeit oder ein trockener Mund, sind Ausdruck dieser Aktivierungsreaktion. In extremen Fällen kann es auch zu Schreckstarre kommen, einer instinktiven Lähmung, die bei manchen Tieren (und auch beim Menschen) das Überleben sichern soll, indem sie für Raubtiere „unsichtbar“ werden (Vgl. Öhman, 1992; Ditfurth, 1965).
Neben diesen sichtbaren Anzeichen beeinflusst Angst auch die Wahrnehmung: Die Aufmerksamkeit wird fokussiert, der Blick wird enger, Details werden ausgeblendet. Der Körper befindet sich in einem Zustand erhöhter Reaktionsbereitschaft, bereit zu fliehen, anzugreifen oder zu erstarren (Vgl. Spielberger, 1972).
Dauerhafte Angst kann jedoch schädlich sein. Chronisch erhöhte Cortisolspiegel belasten das Immunsystem, stören den Schlaf und fördern entzündliche Prozesse im Körper. Langfristig kann das zu Erschöpfung, psychosomatischen Beschwerden und ernsthaften Erkrankungen führen (Vgl. Eysenck, 1992). Auch das emotionale Gleichgewicht leidet: Die ständige Anspannung blockiert Freude, Kreativität und soziale Offenheit, ein Zustand, der zu Rückzug und Isolation führen kann (Vgl. LeDoux, 1996).
Doch die gute Nachricht: Angst ist formbar. Über gezieltes Training, Atemtechniken und Achtsamkeit lässt sich die körperliche Reaktion auf Angst beeinflussen. Das bedeutet: Du kannst lernen, deinen Körper in Ausnahmesituationen besser zu regulieren und genau das ist ein zentraler Bestandteil von Karuna Combat.
Was Angst mit deinem Geist macht
Angst beeinflusst nicht nur deinen Körper, sondern auch deine geistige Leistungsfähigkeit, deine Wahrnehmung und dein emotionales Gleichgewicht. Neurowissenschaftlich betrachtet greift Angst in zentrale Gehirnprozesse ein: Sobald die Amygdala, das „Alarmsystem“ im limbischen System, eine Bedrohung wahrnimmt, hemmt sie die Aktivität des präfrontalen Cortex. Das führt dazu, dass komplexe Denkprozesse, logisches Abwägen und kreative Problemlösungen kaum noch möglich sind (Vgl. LeDoux, 1996).
Dieser Zustand wird oft als kognitiver Tunnelblick beschrieben: Deine Aufmerksamkeit fokussiert sich ausschließlich auf die potenzielle Gefahr. Die Fähigkeit, Alternativen abzuwägen oder eine realistische Einschätzung der Situation vorzunehmen, nimmt rapide ab. Das erklärt, warum Menschen in Angstsituationen oft irrational oder übertrieben reagieren, ihr Gehirn befindet sich im Überlebensmodus (Vgl. Gray, 1982).
Gleichzeitig aktiviert Angst auch Erinnerungszentren wie den Hippocampus, wodurch frühere bedrohliche Erfahrungen reaktiviert werden, auch wenn sie objektiv nichts mit der aktuellen Situation zu tun haben. So entsteht ein gefährlicher Kreislauf: Angst löst Gedanken aus, die weitere Angst erzeugen. Dieser Mechanismus steht im Zentrum vieler Angststörungen, wie der generalisierten Angststörung oder der Panikstörung (Vgl. Öhman, 1992).
Darüber hinaus beeinflusst Angst die emotionale Wahrnehmung: Studien zeigen, dass ängstliche Menschen neutrale oder sogar positive Reize häufiger als bedrohlich interpretieren, ein Phänomen, das als „Attentional Bias“ bekannt ist (Vgl. Eysenck, 1992). Langfristig kann dieser Zustand zu chronischem Stress, Erschöpfung und einem Gefühl emotionaler Instabilität führen, bis hin zur Depression.
Warum Angst auch dein Verbündeter sein kann
Angst hat in der Evolution eine zentrale Rolle gespielt: Sie half dem Menschen, Gefahren frühzeitig zu erkennen und zu überleben. In der Neurobiologie spricht man von einer „Fight-or-Flight“-Aktivierung: Ein akuter Angstanfall mobilisiert binnen Sekunden Energiereserven im Körper, fördert die Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin, schärft die Sinne, erhöht die Muskelanspannung und fokussiert die Wahrnehmung auf relevante Reize (Vgl. Gray, 1982; LeDoux, 1996).
Diese physiologische Reaktion kann ein enormer Vorteil sein, wenn wir lernen, sie zu kontrollieren. Angst steigert etwa kurzfristig die kognitive Leistungsfähigkeit, indem sie die Aufmerksamkeit bündelt und schnelle Reaktionen ermöglicht. In gefährlichen oder leistungsintensiven Situationen wie einem Wettkampf, einem Vorstellungsgespräch oder einem Selbstverteidigungsfall kann sie so zur Aktivierungskraft werden (Vgl. Spielberger, 1972).
Zudem hat Angst eine bedeutende Signal- und Lernfunktion. Sie macht uns auf Risiken aufmerksam, zwingt uns zur Reflexion und zum Aufbau von Strategien. Wer sich bewusst mit seinen Ängsten konfrontiert, entwickelt Resilienz, also die Fähigkeit, auch in stressigen oder bedrohlichen Lagen handlungsfähig zu bleiben (Vgl. Ditfurth, 1965; Öhman, 1992).
Aus psychologischer Sicht kann Angst also als Wachstumsimpuls gesehen werden: Sie fordert dich heraus, deine Komfortzone zu verlassen und genau dort beginnt Entwicklung.
Wie du Angst überwindest
Die Überwindung von Angst erfordert nicht Verdrängung, sondern systematische Konfrontation und Integration. In der Verhaltenstherapie hat sich dabei vor allem die Expositionstherapie bewährt: ein schrittweises, kontrolliertes Sich-Aussetzen der gefürchteten Reize oder Situationen. Ziel ist die sogenannte Extinktion, die Löschung der gelernten Angstassoziation (Vgl. Öhman, 1992; Eysenck, 1992).
Ein zentrales Werkzeug ist dabei die kognitive Umstrukturierung: Indem du deine Gedanken bewusst hinterfragst und bewertest („Ist das wirklich so gefährlich?“), lernst du, zwischen realer und imaginierter Bedrohung zu unterscheiden, ein Prozess, der nachweislich die Amygdala-Aktivität dämpfen und den präfrontalen Cortex stärken kann (Vgl. LeDoux, 1996).
Physiologisch wirkungsvoll sind auch Atem- und Achtsamkeitstechniken: Langsames, rhythmisches Atmen (z. B. 4 Sekunden ein, 6 Sekunden aus) aktiviert den Parasympathikus und senkt Herzfrequenz sowie Cortisolspiegel, messbare Effekte, die Angst biologisch abschwächen (Vgl. Birbaumer, 1977; Spielberger, 1972).
Langfristig entscheidend ist das Erleben von Selbstwirksamkeit: Jedes erfolgreich gemeisterte Angstereignis stärkt das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit. Dieses emotionale Lernen ist besonders nachhaltig, da es nicht nur dein Verhalten, sondern auch deine neuronalen Muster verändert (Vgl. Gray, 1982).
Angsttraining im Karuna Combat Kontext
Im Karuna Combat Training ist Angst kein Hindernis, sondern ein zentrales Trainingsprinzip. Wir arbeiten bewusst mit Angst, nicht gegen sie. Ziel ist nicht, „mutig“ zu sein im Sinne von Angstfreiheit, sondern souverän mit Angst umzugehen, also handlungsfähig zu bleiben, auch wenn dein System Alarm schlägt.
Das Training nutzt dabei gezielte Stresstests in sicherem Rahmen: unter anderem durch Szenarien, Zeitdruck, akustische Reize oder körperliche Erschöpfung. Diese Methoden basieren auf dem Prinzip der graduellen Desensibilisierung, wie sie auch in der Verhaltenstherapie Anwendung findet (Vgl. Öhman, 1992). Dabei wird die Amygdala immer wieder in Situationen gebracht, die sie als potenziell gefährlich einstuft, jedoch ohne reale Konsequenz. So kann dein Nervensystem lernen, Gefahr realistischer einzuschätzen und nicht automatisch in Panik zu verfallen.
Ein weiterer Kern des Karuna Combat Ansatzes ist die Förderung von körperlicher Präsenz und Atmung. Über einfache, aber effektive Techniken wird der Parasympathikus bewusst aktiviert, etwa durch Atemkontrolle, Körperspannung oder gezielte Bewegungsabfolgen. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf das subjektive Angstempfinden und stärkt die Fähigkeit zur Selbstregulation (Vgl. Birbaumer, 1977).
Dabei geht es immer auch um mentale Vorbereitung: Durch mentales Training, Visualisierung und wiederholtes Üben in kontrollierten Settings wird das Gehirn darauf konditioniert, auch in echten Gefahrensituationen nicht zu blockieren. Dieses Prinzip basiert auf der Erkenntnis, dass emotionale Lernprozesse in der Amygdala durch Wiederholung, Kontrolle und Erfolgserlebnisse stabil beeinflusst werden können (Vgl. LeDoux, 1996).
Fazit
Angst ist kein Feind. Sie ist ein biologisch tief verankertes Warnsystem, das dein Überleben sichern will, doch nur, wenn du lernst, sie zu verstehen und zu nutzen. Angst lähmt, wenn du ihr die Kontrolle überlässt. Sie stärkt dich, wenn du lernst, mit ihr zu arbeiten.
In Karuna Combat wird Angst nicht ignoriert, sondern gezielt erfahrbar gemacht und transformiert. Du lernst nicht nur Techniken zur Selbstverteidigung, du trainierst deinen Körper und Geist darauf, in der Angst ruhig zu bleiben und zu handeln. Damit wirst du nicht nur sicherer im Außen, sondern auch stabiler im Inneren.
Denn wahre Stärke bedeutet nicht Abwesenheit von Angst, sondern Klarheit und Handlungskraft mitten in ihr.
Quellen
Birbaumer, N. (Hrsg.): Psychophysiologie der Angst. München, Wien, Baltimore 1977.
Ditfurth, H. von (Hrsg.): Aspekte der Angst. Stuttgart 1965.
Eysenck, M. W.: Anxiety. Hove 1992.
Gray, J. A.: The Neuropsychology of Anxiety. Oxford 1982.
LeDoux, J. E.: The Emotional Brain. Simon & Schuster, New York 1996.
Öhman, A.: Fear and anxiety as emotional phenomena. In: Handbook of Emotions. New York 1992.
Spielberger, C. D. (Hrsg.): Anxiety: Current Trends in Theory and Research. New York 1972.
Vaas, R. (2025). Angst. Essay in: Lexikon der Neurowissenschaft. Letzter Zugriff am 16.06.2025 unter https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/angst/641
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