- May 2, 2025
🇩🇪 Home Defense - Ein Überblick
- Andreas Wagner
Stell dir vor, es ist Nacht. Du wachst auf, weil du ein Geräusch hörst – Schritte, ein Klirren, vielleicht eine Stimme. Dein Herz schlägt schneller. Was tust du?
Bleibst du liegen – oder stehst du auf?
Machst du Licht – oder bewegst dich im Dunkeln?
Greifst du zum Handy – oder zu einem Verteidigungsmittel?
Gehst du nachsehen – oder bringst du dich in Sicherheit?
Rufst du die Polizei – oder versuchst du zuerst, die Situation selbst zu lösen?
Sprichst du laut – oder bleibst du leise?
All diese Entscheidungen musst du in Sekunden treffen – mit pochendem Herzen, schlaftrunken, vielleicht barfuß.
Home Defense bedeutet, vorbereitet zu sein, wenn es darauf ankommt. Es geht nicht um Paranoia oder Actionfilm-Szenen – sondern um Verantwortung. Für dich. Für deine Familie. Für dein Zuhause.
Viele Menschen verlassen sich auf ihr Bauchgefühl, wenn es um Sicherheit geht. Sie sagen: „Mir wird schon nichts passieren.“ Doch die Realität zeigt ein anderes Bild – Die Polizeiliche Kriminalstatistik, kurz PKS, zeigt eindeutig, dass Einbrüche, Überfälle und häusliche Gewalt zum Alltag gehören, auch bei uns. Und genau deshalb ist Home Defense kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.
In diesem Artikel bekommst du einen Überblick darüber, was Home Defense wirklich bedeutet. Du lernst die vier zentralen Säulen kennen, auf denen ein funktionierendes Sicherheitskonzept aufbaut – und warum es sich lohnt, nicht nur zu hoffen, sondern aktiv zu handeln. Denn eines steht fest:
„Sicherheit beginnt nicht mit Technik – sie beginnt mit dir.“
Was bedeutet Home Defense eigentlich?
Bevor ich dir zeige, warum Home Defense für dich relevant ist, möchte ich dir erklären, was dieser Begriff bedeutet. Denn Home Defense ist weit mehr als nur der Baseballschläger unterm Bett oder eine Kamera an der Haustür. Es ist ein ganzheitliches Konzept, das darauf abzielt, dein Zuhause zu einem sicheren Ort zu machen – nicht nur gefühlt, sondern ganz real.
Wenn ich von Home Defense spreche, meine ich eine innere und äußere Bereitschaft, im Ernstfall souverän zu handeln. Es geht darum, Gefahren früh zu erkennen, richtig einzuschätzen und kluge Entscheidungen zu treffen. Und es geht darum, dein Zuhause so zu gestalten, dass du im Fall eines Angriffs, Einbruchs oder einer Eskalation die Kontrolle behältst – oder schnell wiedererlangst. Home Defense bedeutet:
vorzudenken statt nachher zu reagieren,
Risiken zu minimieren, ohne in Angst zu leben,
und Verantwortung zu übernehmen, auch wenn du sie hoffentlich nie brauchst.
Dabei geht es nicht nur um Technik oder Ausrüstung, sondern um Klarheit im Kopf, Struktur im Handeln und einen Plan, der dir – und allen, die dir wichtig sind – Sicherheit gibt. Es ist dein Zuhause. Also sei du auch derjenige, der es schützt.
Warum ist Home Defense so wichtig?
Kommen wir zur Relevanz. Wenn wir an Sicherheit denken, denken wir oft: Zuhause bin ich sicher. Doch genau das trügt. Denn die Statistik zeigt: Ein erheblicher Teil der Gewalt passiert genau dort – in den eigenen vier Wänden. Nicht auf der dunklen Straße, nicht im Park, sondern dort, wo wir uns eigentlich geschützt fühlen sollten. Die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik 2024 zeigt eindrücklich, wie groß dieses Risiko tatsächlich ist:
78.436 Wohnungseinbruchdiebstähle wurden 2024 in Deutschland erfasst – ein Anstieg um 0,8 % gegenüber dem Vorjahr (77.819 Fälle) .
Diagramm 1 - Anzahl der Wohnungseinbrüche pro Jahr von 2019 bis 2024 [1] [2] [3]
Dieses Diagramm zeigt die Entwicklung der Wohnungseinbruchdiebstähle über sechs Jahre hinweg. Nach einem starken Rückgang während der Corona-Jahre (2020–2021) steigen die Zahlen seit 2022 wieder kontinuierlich an. 2024 wurden 78.436 Einbrüche gemeldet – das sind 617 mehr als im Vorjahr.
Die Gewaltkriminalität insgesamt stieg um 1,5 % auf 217.277 Fälle – und in 22,3 % der Fälle war der Tatort die Wohnung. Das bedeutet: Nahezu jeder vierte Gewaltdelikt findet dort statt, wo wir uns eigentlich am sichersten fühlen.
Diagramm 2 - Anteil der Tatorte an Gewaltkriminalität in Prozent 2024 [3]
Die Wohnung ist mit 22,3 % der zweithäufigste Tatort bei Gewaltverbrechen – nur übertroffen von öffentlichen Straßen (29,4 %). Dieser hohe Anteil macht deutlich, dass Home Defense nicht nur mit Einbrüchen, sondern auch mit zwischenmenschlicher Eskalation zu tun hat.
Die Zahl der Straftaten gegen die persönliche Freiheit, wie Bedrohung, Stalking oder Nötigung, lag 2024 bei 299.082 Fällen – ein Anstieg von +5,3 % gegenüber dem Vorjahr . Viele dieser Taten finden im häuslichen Umfeld statt, oft im Kontext von Beziehung oder Familie. Bei den gefährlichen und schweren Körperverletzungen wurde ein Anstieg auf 158.177 Fälle verzeichnet – das sind 2,4 % mehr als im Vorjahr .
Diagramm 3 - Anzahl relevanter Delikte für Home Defense im Vergleich 2023 und 2024 [3]
Alle drei Deliktarten zeigen einen Anstieg – besonders deutlich bei den Straftaten gegen die persönliche Freiheit mit +5,3 %. Die gefährliche und schwere Körperverletzung stieg um 2,4 %, Einbruchdiebstahl um 0,8 %.
Fazit: Auch wenn manche Anstiege moderat erscheinen, zeigen sie deutlich: Sicherheit im Wohnumfeld bleibt ein zentrales Thema. Gewalt- und Eigentumsdelikte finden nicht selten im häuslichen Kontext statt – und auch wenn nicht jede Bedrohung in der Statistik sichtbar wird, ist die Realität klar: Das eigene Zuhause kann zum Tatort werden. Nicht, weil du etwas falsch gemacht hast – sondern weil Täter oft genau dort zuschlagen, wo Nähe, Vertrauen und Routine herrschen. Home Defense ist daher kein übertriebener Selbstschutz, sondern ein bewusster Akt der Verantwortung: Für dich selbst. Für deine Kinder. Für deine Partnerin oder deinen Partner. Für die Menschen, die auf dich angewiesen sind, wenn andere Grenzen überschreiten.
Infobox
Was die Zahlen (nicht) zeigen – Hellfeld vs. Dunkelfeld
Die im Artikel genannten Statistiken stammen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Sie zeigt jedoch nur die Straftaten, die der Polizei bekannt geworden und abschließend bearbeitet wurden – das sogenannte Hellfeld.
Was bedeutet das konkret?
Straftaten, die nicht angezeigt oder verfolgt werden, tauchen nicht in der PKS auf.
Gerade bei häuslicher Gewalt, Stalking oder sexualisierter Gewalt ist die Dunkelziffer oft deutlich höher.
Auch die Anzeigequote kann die Statistik beeinflussen – z. B. wenn bestimmte Delikte häufiger gemeldet werden als andere.
Deshalb gilt:
Die PKS zeigt nur einen Teil des tatsächlichen Kriminalitätsgeschehens.
Sie ist wichtig – aber sie ist nicht das ganze Bild.
Die vier Säulen effektiver Home Defense
Die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik machen deutlich: Sicherheit im eigenen Zuhause ist keine Selbstverständlichkeit.
Doch was folgt daraus?
Warten, bis etwas passiert?
Oder jetzt die Verantwortung übernehmen – und lernen, wie man sich vorbereitet?
Home Defense ist keine Frage von Stärke, sondern von Struktur. Und diese Struktur ruht auf vier tragenden Säulen:
Sicherheit zu Hause
Mindset & Selbstbewusstsein
Erste Hilfe-Skills
Panic-Room.
Abb. 1: Vier Säulen von Home Defense (R. Oehlert, 24.04.2025).
Jede dieser Säulen ist trainierbar – ganz praktisch, ganz konkret. Und jede einzelne bringt dich ein Stück näher an das, was echte Sicherheit ausmacht: Klarheit, Handlungsfähigkeit und innere Ruhe.
1. Sicherheit Zuhause
Das Fundament jeder Vorbereitung ist die äußere Sicherheit: Türen, Fenster, Fluchtwege – all das muss bewusst betrachtet werden.
Doch es geht nicht nur um Technik. Es geht auch darum, Verteidigung greifbar zu machen: Wo liegt deine Taschenlampe nachts? Wo dein Quickshield, dein Notrufsignal, dein Notfallrucksack?
Und was tust du, wenn du nachts ein verdächtiges Geräusch hörst?
Home Defense bedeutet in diesem Kontext:
Fluchtwege kennen
Verteidigungsmittel strategisch platzieren
Verhalten bei verdächtigen Situationen bewusst einüben
2. Mindset & Situationsbewusstsein
Die beste Technik und dein Wissen bringt dir nichts, wenn dein Kopf nicht mitspielt. Stress, Angst, Verwirrung – all das kann dich lähmen, wenn du nicht trainiert bist, unter Druck klar zu bleiben.
Home Defense beginnt im Kopf:
Du lernst, wie du Situationen erkennst, bevor sie eskalieren.
Du trainierst, wie du ruhig bleibst, auch wenn der Adrenalinspiegel steigt.
Du entwickelst klare Abläufe – mit dem sogenannten ABC-Plan: Analysieren, Bewerten, Entscheidungen treffen.
Die wichtigste Waffe? Deine geistige Klarheit.
3. Erste Hilfe Skills
Was, wenn jemand verletzt ist? Was, wenn du blutest, stolperst oder andere schützen musst?
Taktische Erste Hilfe ist ein zentraler Baustein von Home Defense. Nicht die klassische Erste-Hilfe-Ausbildung, sondern der realistische Umgang mit Notlagen:
Druckverband im Dunkeln
Kommunikation mit Polizei oder Nachbarn unter Stress
Bewegung in unsicherem Terrain
Das Ziel: nicht nur überleben, sondern aktiv helfen können – auch in chaotischen Situationen.
4. Panic Room
Der letzte Rückzugsort. Nicht zum Kämpfen, sondern zum Überleben. Ein Panic Room kann ein Badezimmer sein, ein Keller, ein abgedichteter Raum – Hauptsache: abschließbar, geschützt, vorbereitet. Beispielsweise auch mit einer Notfall-Leiter, um aus dem ersten Stock zu fliehen. Oder der Raum, in dem deine Notfallkiste liegt:
Walkie-Talkie
Licht
Wasser
Snacks
Traubenzucker
Erste Hilfe
Verteidigungswerkzeuge.
Alles, was dir Zeit verschafft, bis Hilfe kommt. Ein guter Panic Room ist nicht teuer – aber unbezahlbar, wenn du ihn brauchst.
Diese vier Säulen greifen ineinander. Keine funktioniert für sich allein. Doch gemeinsam sorgen sie dafür, dass du nicht nur über Sicherheit sprichst – sondern sie verkörperst.
Home Defense ist trainierbar
Die beste Ausrüstung, die ausgeklügeltste Technik, die schönste Theorie – sie bringt dir nichts, wenn du nicht weißt, wie du sie unter Druck nutzt. Home Defense lebt vom Training. Von Wiederholung. Von Erfahrung. Denn was im Kopf klar ist, muss auch im Körper automatisiert sein.
👉 Weißt du im Schlaf, wo dein Lichtschalter ist?
👉 Kannst du deine Verteidigungsmittel im Dunkeln greifen – unter Stress, mit zitternden Händen?
👉 Weiß deine Familie, was sie im Notfall tun muss?
Vorbereitet sein bedeutet:
Situationen mental durchgespielt zu haben
Entscheidungen im Vorfeld getroffen zu haben
Abläufe als Routine einzuüben – genau wie Zähneputzen oder Autofahren
Deshalb sind Mini-Trainings so wichtig. Keine Großveranstaltung, kein Drill. Sondern einfache, realitätsnahe Übungen, die du regelmäßig allein oder mit deiner Familie durchführen kannst:
Sicherheitsrundgang durch dein Zuhause
Zugriffstest im Dunkeln
Reaktionsablauf bei einem verdächtigen Geräusch
Erste-Hilfe-Handgriff wiederholen
Einmal im Monat: „Was wäre wenn“-Abend mit konkretem Szenario
Das Ziel: Aus Theorie wird Routine. Und aus Routine wird Sicherheit.
Verantwortung statt Verdrängung
Abschließend möchte ich dir nach 36 Jahren Erfahrung noch mit auf den Weg geben, dass Sicherheit kein Zufall ist. Sie entsteht nicht durch Hoffnung – sondern durch Entscheidung. Home Defense ist keine Paranoia. Es ist Fürsorge. Es bedeutet nicht, Angst zu haben – sondern bereit zu sein. Für dich selbst. Für deine Familie. Für dein Zuhause.
Denn was passiert, wenn du heute noch denkst: „Wird schon nichts passieren“ – und morgen doch etwas passiert?
Home Defense gibt dir nicht nur Mittel zur Verteidigung. Es gibt dir:
Ruhe – weil du weißt, was zu tun ist.
Klarheit – weil du Situationen besser einschätzen kannst.
Kontrolle – weil du nicht mehr passiv bleibst.
Und vor allem gibt es dir das Gefühl, nicht mehr machtlos zu sein.
Quellen
[1] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2021). Polizeiliche Kriminalstatistik 2020. Ausgewählte Zahlen im Überblick. PKS 2020 V 1.0. Innen Minister Konferenz Baden-Württemberg 2021.
[2] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2023). Polizeiliche Kriminalstatistik 2022. Ausgewählte Zahlen im Überblick. PKS 2022 EV. Innenminister:innen Konferenz Berlin 2023.
[3] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2025). Polizeiliche Kriminalstatistik 2024. Ausgewählte Zahlen im Überblick. PKS 2024 V 2.0. IMK Bremen 2025.Title